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Israelisch-palästinensisches Schulbuch

Die Geschichte des Anderen kennen lernen - Israel und Palästina im 20. Jahrhundert

Das israelisch-palästinensische Schulbuch „Die Geschichte des Anderen Kennenlernen“ des Peace Research Institute In The Middle East (PRIME) befasst sich mit der Geschichte des Nahostkonflikts und gibt dabei sowohl israelischen als auch palästinensischen Narrativen Raum. VON JAN HARIG

Im Jahr 2002 begann das Institut PRIME unter der Leitung des israelischen Psychologen Dan Bar-On und des palästinensischen Erziehungswissenschaftlers Sami Adwan mit den Arbeiten an einem ganz besonderen Projekt: der Schaffung eines israelisch-palästinensischen Schulbuchs, das die Geschichte des Nahostkonflikts aus unterschiedlichen, aber gleichberechtigt nebeneinanderstehenden Perspektiven erzählt.

Ausgangspunkt des Projekts war die Erkenntnis, dass sowohl in israelischen, als auch in palästinensischen Schulbüchern allzu oft eine äußerst einseitige Geschichtserzählung dominiert. Widerstreitende Narrative und Bilder finden in solchen Lehrwerken nur wenig Platz und werden zur Stärkung der eigenen Position mitunter vollständig ignoriert.

Um der (Re-)Produktion von Feindbildern in schulischen Medien entgegenzuwirken, entschied sich das israelisch-palästinensische Team um Bar-On und Adwan dazu, die Geschichte des Konflikts aus zwei unterschiedlichen, sich zum Teil diametral gegenüberstehenden Blickwinkeln zu erzählen: Während auf der linken Buchseite die Ereignisse aus einer israelischen Perspektive dargestellt werden, findet sich auf der rechten Buchseite die Schilderung der Geschehnisse aus einer palästinensischen Perspektive. Dazwischen bleibt Platz für eigene Sichtweisen, Anmerkungen und Notizen. Durch die bewusste Gegenüberstellung vermeidet das Buch, sich für die ‚eine‘, vermeintlich richtige Erzählung zu entscheiden. Während Fragen von Schuld und Verantwortung damit in den Hintergrund rücken, werden gegenseitiges Verständnis und die Bereitschaft zum Dialog in den Fokus gestellt.

Obwohl das Buch international viel Anerkennung erfuhr und auch von verschiedenen israelisch-palästinensischen Friedensinitiativen ausdrücklich unterstützt wurde, untersagten sowohl das israelische als auch das palästinensische Schulministerium im Jahr 2010 den Einsatz im Schulunterricht.

Seit 2014 liegt das gesamte Buch in einer neuen deutschen Übersetzung vor. Auch wenn das Lehrwerk ursprünglich für den schulischen Einsatz entwickelt wurde, ist es dennoch nicht ohne Weiteres für die Unterrichtspraxis an deutschen Schulen geeignet. Die Komplexität der Texte sowie die Fülle der dargestellten Ereignisse und Entwicklungen erfordern ein hohes Maß an Vorwissen in Bezug auf den Konflikt und seine Akteure, das in hiesigen Schulklassen kaum vorausgesetzt werden kann. Somit eignet sich das Buch in erster Linie für Lehrkräfte und Pädagogen/innen, die sich – beispielsweise im Rahmen der Unterrichtsvorbereitung – kritisch mit dem Nahostkonflikt und seiner Entstehungsgeschichte auseinandersetzen wollen. Für eine Zielgruppe ab 16 Jahren ist aber auch eine vertiefende Arbeit mit Auszügen des Buches möglich, soweit entsprechende Vorkenntnisse bereits anderweitig erarbeitet wurden.

Der im Buchaufbau angelegte, multiperspektivische Blick auf zentrale Geschehnisse des Konflikts bietet dabei die Möglichkeit, vereinseitigenden Deutungen vorzubeugen. An die Stelle negativer Zuschreibungen zu Lasten der einen oder der anderen Seite setzt das Lehrwerk die Auseinandersetzung mit historischen Ereignissen im Prisma unterschiedlicher Sichtweisen und Bewertungen. Das Buch kann damit einen wichtigen Beitrag zur politischen Urteilsbildung fernab von vorurteilsbehafteten Denkmustern leisten.

 

Peace Research Institute in the Middle East (PRIME)
Sami Adwan, Dan Bar-On, Eyal Naveh (Hg.):
Die Geschichte des Anderen kennen lernen.
Israel und Palästina im 20. Jahrhundert.
Frankfurt am Main: Campus Verlag 2015

Inhaltsverzeichnis

 

Jan Harig ist Mitbegründer und war bis 2019 Redakteur von „Anders Denken – Die Onlineplattform für Antisemitismuskritik und Bildungsarbeit“

Bildnachweis: Tomas Sobek / unsplash.com

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