Sieben (jüdische) Biografien
Zwischen Emanzipation, Holocaust und Überleben
Allgemeine Informationen
Konzeptioneller Zugang
Der Holocaust ist und bleibt ein zentrales Thema und stets wiederkehrender Bezugspunkt auch für aktuelle Auseinandersetzungen. Neben der Vermittlung historischen Wissens wird im biografischen Zugang sichtbar, welche konkreten Auswirkungen die rassenantisemitische Gruppenkonstruktion und die nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen auf das Leben der Betroffenen hatten. Die große Vielfalt ganz unterschiedlicher Lebensrealitäten und Erfahrungen, die die Beispiele verdeutlichen, irritieren das Bild einer vermeintlich homogenen Verfolgtengruppe „die Juden“. Bewusst wurden mehrheitlich Biografien von Überlebenden ausgewählt, um über den Abgrund des Holocaust hinauszublicken. Manche Lebenswege liefern Anknüpfungspunkte an die Geschichte Israels, andere zeugen von alternativen Entscheidungen und den oft ambivalenten Existenzbedingungen jüdischen Lebens im Nachkriegsdeutschland.
Lernziele
Die TN erweitern und vertiefen ihr Wissen über Nationalsozialismus und Holocaust. Sie kennen einen Teil der NS-Verfolgungsmaßnahmen und deren Auswirkungen auf die davon betroffenen Menschen. Durch die Beschäftigung mit persönlichen Lebensgeschichten werden die TN für die Individualität der Verfolgten sensibilisiert und mit Handlungs(un)möglichkeiten und Dilemmata vertraut gemacht. Gleichzeitig reflektieren die TN die Systematik der nationalsozialistischen Judenverfolgung.
Material
Material-Download, Flipchartpapier, Stifte, ggf. auch Pinnwände, Bindfaden und Moderationskarten, zwei Berliner Stadtpläne (mit Straßenverzeichnis)
Zeit
200 Min
Biografie-Arbeit
Gruppenarbeit (110 Min)
Die TN werden in fünf bis sieben Arbeitsgruppen aufgeteilt (je nach Größe der Gesamtgruppe). Jede Gruppe erhält Arbeitsblätter mit Texten und Bildern zu einer Biografie sowie ein Flipchartpapier und Filzmarker. Die Beispiele behandeln die Lebensgeschichten der folgenden Personen:
- Inge Deutschkron
- Isaak Behar
- Heinz Galinski
- Julius Hirsch
- Vitka Kempner
- Rashela Lazar
- Helene Nathan
Der Arbeitsauftrag für die Gruppen besteht nun darin, sich die Biografien zu erarbeiten und eine Präsentation vorzubereiten, die sie später der Gesamtgruppe vorstellen. Dabei orientieren sie sich an den folgenden, für alle sichtbar auf ein vorbereitetes Flipchartpapier geschriebenen Leitfragen.
Fragen
- Was lässt sich über die Biografie der Person aussagen? Stellt ihre Lebensgeschichte dar. Geht dabei auf die Zeit vor, während und nach dem Nationalsozialismus ein.
- Hat sich die Person nach dem Holocaust zu Deutschland bzw. zum Nationalsozialismus geäußert oder sich dazu irgendwie verhalten? Wenn ja, wie und vor welchem Hintergrund, welchem historischen oder biografischen Ereignis?
- Überlegt, ob es etwas gibt, das die Person ausmacht, oder ob sie eine außergewöhnliche Eigenschaft besitzt.
Für die spätere Vorstellung der Biografien bereiten die Arbeitsgruppen drei unterschiedliche, innerhalb der Vorgaben frei gestaltbare Präsentationsformen vor, denen jeweils die folgenden Lebensgeschichten zugeordnet sind:
- Visualisierung auf einem Berliner Stadtplan (Biografien von Isaak Behar und Inge Deutschkron).
- Zeichnen eines Lebensweges (Biografien von Heinz Galinski und Vitka Kempner).
- Freie Gestaltung einer Wandzeitung (Biografien von Rashela Lazar, Helene Nathan und Julius Hirsch).
Hinweis: Bei den Biografien von Isaak Behar und Inge Deutschkron handelt es sich um Geschichten des Überlebens im Berliner Untergrund. Der anhand der Pläne visualisierte Stadtraum versinnbildlicht die häufig zu wechselnden Verstecke der Untergetauchten. Zugleich will der lokale Bezugsrahmen für die TN ein zusätzliches Identifikationsangebot schaffen. In Städten und Orten außerhalb Berlins können diese Biografien auch durch lokale Beispiele ersetzt werden. Geeignete Personengeschichten finden sich manchmal in lokalhistorischen Publikationen zur jüdischen Geschichte, wie sie heute für viele Ortschaften vorliegen. (Zuweilen können auch örtliche Museen, Geschichtsvereine, Gedenkinitiativen oder NS-Gedenkstätten wertvolle Hinweise liefern.) Bei der Auswahl der Lebensgeschichten sollte jedoch auf die Beibehaltung der Vielfalt an spezifischen Themen und Fragestellungen geachtet werden.
Präsentationen (80 Min)
Nach der Gruppenarbeit setzen sich die TN wieder im Stuhlkreis zusammen. Nacheinander stellen sich die Arbeitsgruppen nun gegenseitig die Biografien vor. Dabei gehen sie sowohl auf den Lebensweg der vorgestellten Person ein als auch auf die antisemitischen Maßnahmen, von denen sie betroffen war.
Abschlussrunde (10 Min)
In einer kurzen Abschlussdiskussion können einige markante oder die TN überraschende Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Biografien noch einmal kurz zusammengetragen werden.
Quelle
KIgA e.V. (Hg.) Widerspruchstoleranz. Ein Theorie-Praxis-Handbuch zu Antisemitismuskritik und Bildungsarbeit. Berlin 2013. PDF
Bildnachweis: mal / photocase.de