Was suchen Sie?

Ein kompliziertes Verhältnis

Rechtspopulismus und Antisemitismus

Rechtspopulismus mobilisiert Vorurteile, Ressentiments und Nationalismus. Er lehnt die Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung aller Menschen ab und beruft sich auf einen angeblich authentischen ‚Volkswillen’. Diesen will er gegen das sogenannte Establishment, unliebsame Medien und ‚Fremde‘ verteidigen. Politisch verortet wird er zwischen konservativen und rechtsextremen Positionen. VON ALEXANDER LORENZ-MILORD

Mit Rechtspopulismus wird eine spezielle Form der politischen Ansprache bezeichnet, die sich durch die Mobilisierung von autoritären Einstellungen, Stereotypen, Ressentiments und Nationalismus auszeichnet. Politisch rechts ist sie, da sie Weltanschauungen fußt, die die Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung aller Menschen ablehnen. Populistisch ist sie, da sie auf (negative) Emotionen und Affekte setzt sowie einen Gegensatz zwischen ‚dem Volk‘ (lateinisch: populus) mit dessen angeblich authentischen Willen und einer diesen Willen verfälschenden ‚Elite‘ konstruiert und zum Ausgangspunkt politischer Forderungen macht. In dieser Vorstellung ist mit ‚Volk’ jedoch nicht die Bevölkerung im Sinne der Verfassung, sondern eine ethnisch wie kulturell homogen gedachte Abstammungsgemeinschaft gemeint.

Rechtspopulismus wird auch als Übergangsbereich zwischen konservativen und rechtsextremen Positionen verstanden. Inhaltlich steht er damit sowohl für Bestrebungen der extremen Rechten in das demokratische Spektrum hinein, als auch für demokratische Akteure, die ethnozentrische, nationalistische oder extrem rechte Vorstellungen aufgreifen und politisch für sich nutzen. Als alleinige Kategorie reicht er daher nicht aus um eine Partei o.ä. politisch zu bestimmen. Eine einheitliche Definition des Begriffes gibt es nicht.

Organisierter Rechtspopulismus in Deutschland

Seit den 1990er Jahren erhält Rechtspopulismus zunehmend Einfluss in Europa. Hierzulande gab es lange Zeit keine bundesweit erfolgreiche rechtspopulistische Partei. Dies hat sich mit der 2013 gegründeten Alternative für Deutschland (AfD) geändert. Binnen kürzester Zeit hat sie sich zur gegenwärtig stärksten Rechtsaußenpartei in Deutschland entwickelt.

Ungeachtet ihrer plakativen Bekenntnisse zu Demokratie und Grundgesetz sind einige Aussagen und Forderungen von Teilen der Partei verfassungsfeindlich oder stehen in äußerster Spannung zu den Prinzipien der allgemeinen Menschenrechte, der Rechtsordnung der Bundesrepublik und europäischen Abkommen. Dies betrifft etwa die Garantie der Menschenwürde, wenn – wie im Grundsatzprogramm der Partei gefordert – psychisch kranke Straftäter nicht mehr in der medizinischen Therapie untergebracht, sondern ohne Hilfe in der Sicherungsverwahrung weggeschlossen werden sollen, die Religions- und Bekenntnisfreiheit, wenn diskriminierende Positionen gegenüber Muslimen befürwortet werden oder die Freiheit der Wissenschaft, wenn Gender- und Geschlechterforschung faktisch verboten werden sollen.

Die Politik der AfD kombiniert rechtspopulistischen Stil mit teils radikalem Nationalismus, die Grenzen zum Rechtsextremismus sind fließend. Angesichts ihrer Radikalisierung stufte im Januar 2019 der Verfassungsschutz die Gesamtpartei als „Prüffall“, die rechtsextreme innerparteiliche Strömung Der Flügel und die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative als „Verdachtsfall“ ein.

Viele Fraktionen der Partei bilden den parlamentarischen Arm einer rechten Mischszene. Deren Angehörige agitieren in den Sozialen Netzwerken oder auf öffentlichen Protestveranstaltungen rassistisch und radikalnationalistisch gegen Geflüchtete, Zuwanderer/innen, Muslime und die amtierende Bundesregierung. Das wohl bekannteste Beispiel sind die Demonstrationen der sogenannten Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (PEGIDA) in Dresden. Mit dem Mythos Islamisierung wird eine angebliche Machtübernahme ‚des Islams‘ und eine damit einhergehende kulturelle Zerstörung Deutschlands behauptet. Diese werden angeblich durch die Aufnahme von Menschen aus muslimisch geprägten Ländern befördert. Den rassistischen Anti-Islam-Kampagnen geht es dabei nicht um Religionskritik im Sinne der Aufklärung oder um eine konstruktive Debatte, wie religiöse Überzeugungen in einer liberalen und demokratischen Gesellschaft friedlich gelebt werden können. Vielmehr wird ‚der Islam’ in undifferenzierter Art und Weise als eine feindliche Macht dargestellt, gegen die man sich zur Wehr setzen müsse. Gewöhnlich geht dies mit der Abwertung von tatsächlichen und vermeintlichen Muslimen einher.

Merkmale der Propaganda

Rechtspopulistische Ansprache beinhaltet ein Angebot zur Gruppenzugehörigkeit (‚wir’) bei gleichzeitiger Feindbildmarkierung (‚die Anderen’). Oft werden Menschen hierbei nach Vorstellungen kulturalistischer und ökonomischer Nützlichkeit bewertet. Besonders in Zeiten politischer und wirtschaftlicher Krisen werden in grob vereinfachender Weise ethnische, religiöse und politische Minderheiten sowie das sogenannte Establishment gleichermaßen zu Schuldigen für die Probleme erklärt. Insbesondere die Aufnahme von Asylsuchenden und Einwander/innen wird als existenzielle Bedrohung für die öffentliche Ordnung und die innere Sicherheit dargestellt. Gesellschaftliche Liberalisierung, Modernisierung und Diversität werden als kultureller Verfall gedeutet.

Rechtspopulisten/innen stellen sich als politische Vertreter/innen der Bevölkerungsmehrheit dar. Die selbst gewählte Außenseiterrolle wird mit der Behauptung gestützt angeblich Opfer einer feindlichen Übermacht zu sein. Sie inszenieren sich als vermeintliche Tabubrecher um mit kalkulierten Provokationen und verbalen Attacken Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu erzeugen. Hierzu bedienen sie sich unter anderem auch rechtsextremer Kampfbegriffe. Deutlicher Widerspruch oder Kritik werden empört als ‚politische Korrektheit‘ oder als scheinbare Einschränkung der Meinungsfreiheit zurückgewiesen.

Antisemitische Einstellungen und Denkmuster

Die Ergebnisse der Einstellungsforschung zeigen, dass die Anhänger/innen von AfD, PEGIDA u.a. deutlich zu Einstellungen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit neigen, zu denen auch Antisemitismus gehört. Gleiches gilt für die Zustimmung zum sekundären Antisemitismus der Erinnerungsabwehr in Bezug auf die nationalsozialistische Vergangenheit. Dieser ist fester Bestandteil geschichtspolitischer Positionen, die auf eine Idealisierung und Verklärung deutscher Geschichte setzen. Nationalismus soll so rehabilitiert werden. Als prominentestes Beispiel dafür kann wohl die Rede des Thüringer AfD-Politikers Björn Höcke vom Januar 2017 in Dresden gelten, in der er eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“, weg von einer kritischen Erinnerungskultur forderte.1

Darüber hinaus fallen Anhänger- und Vertreter/innen dieses politischen Spektrums durch einen ausgeprägten Hang zum Verschwörungsdenken auf. Die mobilisierten Vorurteile und Ressentiments werden hierbei in eine Weltsicht integriert, die die beklagten, komplexen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen auf das Handeln einzelner Akteure reduziert. Ihnen wird unterstellt im Geheimen, planvoll und mit Hilfe von Komplizen bewusst den Deutschen Schaden zuzufügen. Manifester Antisemitismus tritt in dieser Form des Verschwörungsdenkens zwar eher selten in Erscheinung, gleichwohl handelt es sich hierbei um ein Denkmuster, das eng mit antisemitischen Verschwörungsideologien verbunden ist, starke Parallelen zu ihnen aufweist und grundlegend antisemitische Motive daran anpasst.

Wie konservative Parteien, so sprechen auch weite Teile von AfD, PEGIDA u.a. vom ‚christlich-jüdischen Abendland‘, von einer ‚christlich-jüdischen Kultur‘ Deutschlands oder einer ‚deutschen Leitkultur‘, an die sich in erster Linie Geflüchtete und Migranten/innen anpassen müssten. Kritiker/innen verweisen darauf, dass hier ein kulturhistorisch unhaltbarer Mythos verbreitet wird, da der Begriff Abendland untrennbar mit der Tradition christlicher Judenfeindschaft verbunden ist, während es ein christlich-jüdisches Abendland nie gegeben hat. Die Forderung nach einer Leitkultur wird denn vielmehr als Abgrenzung, besonders zu islamischen Glaubensrichtungen, als ein Angebot zur Integration verstanden.

Demonstrative Distanz und politische Instrumentalisierung

Antisemitismus ist in allen seinen Ausprägungen ein integraler Bestandteil des Rechtsextremismus. Rechtspopulisten/innen betonen daher öffentlich ihre Distanz und scheinbare Abkehr von Judenfeindschaft, um nicht als rechtsextrem wahrgenommen zu werden. Entsprechende Einstellungen der Anhänger/innen sollen daher unter der Schwelle öffentlicher Aufmerksamkeit bleiben, was nicht immer gelingt. Nach außen vertritt die AfD offiziell anti-antisemitische und pro-israelische Positionen und bemüht sich Jüdinnen und Juden für sich zu vereinnahmen. Israel wird aufgrund seiner Position im Nahen Osten als angebliches Vorbild und Verbündeter im Kampf gegen Islamismus und ‚den Islam‘ dargestellt. Damit wird jedoch ein Bild des jüdischen Staates gezeichnet, dass wenig mit seiner realen Gesellschaft und Politik zu tun hat.

Wird Antisemitismus von Rechtspopulisten/innen thematisiert, dann als ein Problem, dass vorwiegend durch die Zuwanderung von Muslimen nach Deutschland entstehen würde. Vom „importierten“ Antisemitismus ist dann die Rede.2 In dieser sehr selektiven Wahrnehmung werden die Ursachen, die Erscheinungsformen und die Verbreitung des Antisemitismus ignoriert, aus der Mehrheitsgesellschaft ausgelagert und einseitig einem Teil der Bevölkerung angelastet. Kritik am islamisierten Antisemitismus wird instrumentalisiert, um antimuslimische Vorurteile und Ressentiments zu rechtfertigen und von antisemitischen Haltungen in den eigenen Reihen abzulenken.

 

Alexander Lorenz-Milord ist Historiker, Redakteur bei Medaon - Magazin für jüdisches Leben in Forschung und Bildung und in der historisch-politischen Bildungsarbeit aktiv.

Anmerkungen

1 Höcke-Rede im Wortlaut: „Gemütszustand eines total besiegten Volkes“. In: Tagesspiegel vom 19.01.2017. Online

2 Alternative für Deutschland: Deutschland hat Antisemitismus importiert. In: Presseportal vom 19.04.2018. Online

 

Zum Weiterlesen

Tim Ackermann: Der Antisemitismus der AfD. In: Björn Allmendinger/Joachim Fährmann/Klaudia Tietze (Hg.): Von Biedermännern und Brandstiftern. Rechtspopulismus in Betrieb und Gesellschaft. Hamburg 2017, S. 52-63.

Gideon Botsch/Christoph Kopke: Antisemitismus ohne Antisemiten? In: Andreas Zick/Beate Küpper (Hg.): Wut, Verachtung, Abwertung. Rechtspopulismus in Deutschland. Bonn 2015, S. 178-194.

Marc Grimm/Bodo Kahmann: AfD und Judenbild. Eine Partei im Spannungsfeld von Antisemitismus, Schuldabwehr und instrumenteller Israelsolidarität. In: Stephan Grigat (Hg.): AfD & FPÖ. Antisemitismus, völkischer Nationalismus und Geschlechterbilder. Baden-Baden 2017, S. 41-59.

Heiko Klare/Hans-Peter Killgus/Hendrik Puls/Michael Sturm: Eine Rechte ohne Antisemitismus? Neue Inszenierungsformen des Rechtspopulismus in Westeuropa. In: Richard Gebhardt/Anne Klein/Marcus Meier (Hg.): Antisemitismus in der Einwanderungsgesellschaft. Beiträge zur kritischen Bildungsarbeit. Weinheim 2012, S. 192-208.

Benjamin Steinitz/Daniel Poensgen: Die AfD im Spannungsfeld zwischen Relativierung und Instrumentalisierung des Antisemitismus. In: MBR/apabiz (Hg.) Berliner Zustände 2017. Ein Schattenbericht über Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Berlin 2018, S. 32-43. Online/PDF

Sebastian Winter: Antisemitismus im Rechtspopulismus. In: Lernen aus der Geschichte (LAG), Sonderausgabe 23. Mai 2018. Online

 

Bildnachweis: AlexAlex / photocase.de

Haben Sie gefunden, was Sie suchten?

Anders Denken unterstützen

Politische Bildung ist nie umsonst. In der Regel jedoch sind unsere Angebote für Sie kostenlos – wie auch diese Onlineplattform. Um unsere Unabhängigkeit bewahren, die Qualität halten, das Angebot erweitern und langfristige Perspektiven entwickeln zu können, benötigen wir Unterstützung. Und freuen uns deshalb über jede Spende.
 
Gefördert von