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Rollenspiel

„Oh what a World“ – Zum Einstieg in das Verschwörungsdenken

Nach gemeinsamer Reflexion über persönliche Wahrnehmungen und (Selbst-) Verortungen in der Welt erleben die Teilnehmenden eine spielerische Annäherung an verschwörungstheoretische Argumentationen. Miteinander analysieren und diskutieren sie kommunikative und inhaltliche Schwierigkeiten und Gegenstrategien in der Konfrontation mit Verschwörungsdenken.

Allgemeine Informationen

Konzeptioneller Zugang

Der Glaube an Verschwörungstheorien kann einen psychischen, gar identitätsstiftenden Gewinn bringen: Das Gefühl, die Welt trotz ihrer Komplexität verstanden zu haben und scheinbar eindeutige Antworten auf sonst schwer erklärbare Phänomene zu besitzen, macht eine Attraktivität aus, die nicht nur, aber besonders von jungen Menschen zu reflektieren ist. Darüber hinaus erschwert die innere Struktur einzelner Verschwörungstheorien eine kritische Auseinandersetzung mit ihnen: Alle Widersprüche und gegenteiligen Fakten können als Teil der eigentlichen Verschwörung verstanden werden.

Lernziele

Die TN sind dafür sensibilisiert, dass die Welt komplex und schwer überschaubar ist. Sie wissen, dass Gefühle wie Ohnmacht, Verwirrung oder Unsicherheit aus den Schwierigkeiten entstehen können, sich in einer unübersichtlichen Welt zu orientieren. Die TN erhalten einen ersten Einblick in die Muster und Dynamiken verschwörungstheoretischer Argumentation.

Material

Material-Download, Flipchartpapier, Filzmarker

Zeit

55 Min (20 Min/35 Min)

 

Schritt 1: Stumme Diskussion

Übung (10 Min)

Drei vorbereitete Plakate werden an unterschiedlichen Stellen im Raum aufgehängt oder auf freistehenden Tischen ausgelegt. Je ein Plakat enthält eine der folgenden Fragen:

 

  • „Wie würde ich die Welt, in der wir leben, beschreiben?“
  • „Wie fühle ich mich in Bezug auf Themen oder Zusammenhänge, die ich nicht verstehe?“
  • „Wie informiere ich mich, wenn ich etwas nicht verstehe?“

 

Die Plakate sollten gut zugänglich sein und einen schreibfesten Untergrund haben. An beiden Stationen sind mehrere Filzmarker zum Schreiben platziert.

Die einzelnen TN besuchen jetzt – sich frei im Raum bewegend – nacheinander die Plakat-Stationen und versuchen, die dort formulierten Fragen zu beantworten. Ihre Antworten und Kommentare schreiben sie direkt auf das jeweilige Plakat, ohne dabei zu sprechen.

Sie können auch schreibend aufeinander Bezug nehmen, indem sie die verschiedenen Beiträge gegenseitig ergänzen oder kommentieren. Beleidigungen und Beschimpfungen sind nicht erlaubt. Die TN können selbstständig entscheiden, in welcher Reihenfolge und wie oft sie die Stationen aufsuchen.

 

Hinweis: Um eine zielführende Bearbeitung der Diskussionsfragen zu gewährleisten, kann es hilfreich sein, den einführenden Arbeitsauftrag mit konkreten Beispielen zu erläutern. Während der stummen Diskussionsphase sollten die Teamenden nur dann unterstützend eingreifen, wenn bei der Beantwortung der Fragen grundsätzliche Missverständnisse zutage treten.

 

Zusammenführung (10 Min)

Alle TN kommen wieder zusammen und sehen sich die Plakate noch einmal gemeinsam an. Wer will, kann noch etwas ergänzen. Anschließend führen die Teamenden die Ergebnisse zusammen und fokussieren auf die folgenden Aspekte:

Beim Plakat zur „Welt-Beschreibung“ deuten die Teamenden insbesondere auf solche Charakterisierungen hin, die auf Komplexität und schwer Verständliches verweisen (z.B. „kompliziert“, „unübersichtlich“). Beiträge mit Bezug auf die negativen Folgen gesellschaftlicher und sozialer Verhältnisse sind auf ihre Ursachen zurückzuführen (z. B. „ungerecht“, „rücksichtslos“, „profit-“ oder „wettbewerbsorientiert“).

Beim Plakat zur „Gefühlswelt“ stellen die Teamenden heraus, dass Unverstandenes, Nicht-Nachvollziehbares oder uns schleierhaft Erscheinendes unweigerlich auch Gefühle von Desorientierung, Verunsicherung oder Hilflosigkeit hervorrufen kann (z.B. „unwissend“, „überfordert“, „ohnmächtig“).

Beim Plakat zum „Wissenserwerb“ heben die Teamenden die Verschiedenartigkeit möglicher Informationsbeschaffung hervor. Dabei sollten sie zugleich für die Notwendigkeit einer kritischen Prüfung von Quellen sensibilisieren. Gerade das vermutlich häufig genannte Beispiel Internet eignet sich dazu, auch die Verbreitungsmöglichkeiten von böswilligen Gerüchten in den Blick zu nehmen.

 

Im Ergebnis ist einerseits zu verdeutlichen, dass komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge eine Orientierung erschweren oder sogar Gefühle der Ohnmacht hervorrufen können. Aber: Weder kann man alles wissen, noch muss man sich von solcher Komplexität einschüchtern lassen!

Andererseits ist zu zeigen, dass uns vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um uns die Orientierung zu erleichtern und Informationen zu überprüfen. Aber: Man sollte nicht leichtfertig alles glauben, sondern die Seriosität einer Quelle hinterfragen und mit gesundem Menschenverstand prüfen!

 

Schritt 2: Rollenspiel

Übung (20 Min)

Die Teamenden erklären den Ablauf der Übung: Zwei bis vier Freiwillige aus dem Kreis der TN werden sich im Folgenden eine krude Verschwörungstheorie aneignen und dann den Rest der Gruppe damit konfrontieren. Deren Aufgabe wird es sein, dagegen zu argumentieren und die aufgestellten Behauptungen hartnäckig zu hinterfragen.

Nach Auswahl der Freiwilligen und vor Beginn des eigentlichen Spiels bekommen beide Gruppen etwa 10 Minuten Zeit, um sich räumlich voneinander getrennt vorzubereiten. Deshalb verlässt die Freiwilligengruppe vorübergehend den Raum. (Gibt es zwei Teamende, so kann jede/-r von ihnen eine der Gruppen betreuen.)

 

Die Freiwilligen machen sich nun mit ihrer Rolle und mit ihrer Verschwörungstheorie vertraut. Ihre Theorie sollten sie möglichst mit Inbrunst und voller gespielter Überzeugung vortragen. Sie überlegen, mit welchen kreativen Argumenten und irren „Beweisführungen“ sie ihre Theorie untermalen könnten. Zur Unterstützung können sie auch eine Argumentationshilfe nutzen (siehe Material). Die zu vertretende Verschwörungstheorie ist bewusst absurd:

 

„Der öffentliche Personennahverkehr ist ein geheimes Instrument der Autoindustrie!“ – Verspätungen und Ausfälle bei Bussen und Bahnen sind absichtlich geschaffen, um der Kundschaft den Alltag zu erschweren. Die künstlich geschaffene Mühsal soll die Menschen zum Kauf und zur Nutzung von Autos animieren.

 

Auch die Gruppe der übrigen TN bereitet sich auf das Rollenspiel vor. Gemeinsam überlegt sie, mit welcher Art von Argumenten und Redestrategien sie einer Verschwörungstheorie wohl begegnen könnte (z.B. Beweise fordern, Quellen hinterfragen, Logik bezweifeln usw.).

Beide Gruppen kommen wieder in einem Raum zusammen. In einem lebhaften Schlagabtausch versuchen nun beide Lager, sich gegenseitig zu überzeugen. Die Teamenden können vermittelnd unterstützen und achten darauf, dass beide Seiten zu Wort kommen. Nach einigen Minuten wird das Spiel abgebrochen und im Anschluss gemeinsam analysiert.

 

Hinweis: In dieser Übung geht es darum, den TN eine manipulative Kommunikationsdynamik und eine Unzugänglichkeit für rationale Gegenargumente vor Augen zu führen. Deshalb ist es wichtig, die Gruppe der Freiwilligen bei der Rollenvorbereitung zu unterstützen, wie sie die Verschwörung am besten in Szene setzen. Helfen Sie ihnen, die zugehörige Argumentation gut vorzubereiten, fantasievoll auszugestalten und vor allem als Groteske kenntlich zu machen. Fordern Sie Mut zu bizarren Gedanken-Experimenten! Ermutigen Sie die Freiwilligen, für ihre Argumentation Stilmittel wie die folgenden zu verwenden:

  • Spielt euch als wissend und erleuchtet auf. Zeigt euch bemüht, die „Verblendeten“ zu überzeugen.
  • Äußert beliebige Verdächtigungen und streut Gerüchte, die ihr dann als Wahrheit hinstellt („Man sagt/weiß doch, dass …“).
  • Zieht, was immer euch einfällt, als vermeintlichen Beweis für eure Theorie heran. Wiederholt eure Argumente vielfach und bleibt stur.
  • Begegnet kritischen Nachfragen mit Gegenfragen. Dreht Gegenargumente einfach um, bis diese eure Theorie scheinbar stützen.
  • Bezieht euch auf zweifelhafte Autoritäten und dubiose Quellen (z.B. angebliche „Geheimstatistiken der Geheimdienste“).
  • Untermauert eure Argumente mit seltsamen Behauptungen und kreiert sonderbare Zusammenhänge (z.B. „auf künstliche Intelligenz zurückzuführen“ oder „senden rätselhafte elektromagnetische Strahlungen“).
  • Verweist auf „dunkle Mächte“ und benutzt Schlagworte wie „einflussreich“, „machtvoll“, „manipuliert“, „gelenkt“, „im Geheimen“, „Verschwörung“, „Strippenzieher“ etc. Keine noch so krude Behauptung ist zu abwegig, keine noch so gewagte Spekulation zu verquer! Jedoch: Bei aller nötigen Begeisterung für die eigene Rolle – auch die andere Gruppe braucht ausreichend Raum für Gegenrede und skeptische Fragen, damit auch sie etwas ausprobieren kann.

 

Zusammenführung (15 Min)

Teamende und TN finden sich in beruhigter Gesprächssituation zusammen. Für den Ausstieg aus dem Rollenspiel tauschen die TN in einer kurzen Runde zunächst erste Eindrücke aus, wie das Geschehene auf sie emotional gewirkt hat.

Danach erfolgt eine systematische Auswertung der Übung anhand nachstehender Fragen. Gemeinsam untersuchen die TN nacheinander die zu beobachtende Gesprächsdynamik, Argumentationstechniken und Gegenargumentationen.

 

Fragen

  • Was ist hier gerade passiert? Was konntet ihr beobachten?
  • Mit welchen (Gesprächs-)Techniken hat die kleine Gruppe versucht, die übrigen von ihrer Verschwörungstheorie zu überzeugen?
  • Welche Argumente oder Mittel haben gut funktioniert, um gegen die Verschwörungstheorie vorzugehen? Wo gab es Erfolge, wo andere Alternativen?

 

Die Teamenden unterstützen die TN gegebenenfalls dabei, typische Strukturmerkmale zu identifizieren (z.B. stures Beharren, häufiges Wiederholen, Behauptungen als Tatsachen darstellen, Unzugänglichkeit für Argumente, Umdeutung von Gegenargumenten).

Bei Bedarf nachhelfen können die Teamenden ebenso bei der Analyse und Sammlung möglicher Gegenstrategien (z.B. skeptisches Nachfragen, Quellen und Beweise fordern, alternative Deutungen erwägen, Ironie).

Die Antworten der TN auf die dritte Frage sammeln die Teamenden an der Tafel oder am Flipchart. Dorthin hängen sie abschließend auch ein schriftliches Fazit (siehe Material):

 

  • „Diskussion schwierig – Wer Verschwörungstheorien vertritt, ist oft hartnäckig und nicht offen für Gegenargumente.“
  • „Was nicht passt, wird passend gemacht – Angebliche Beweise werden nach Belieben benutzt, Gegenargumente sogar umgedeutet.“
  • „Trotzdem dagegenhalten – Gegen Verschwörungstheorien hilft logisches Denken und ein kritischer Umgang mit Argumenten und Quellen.“

Quelle

KIgA e.V. (Hg.): Widerspruchstoleranz 2. Ein Methodenhandbuch zu antisemitismuskritischer Bildungsarbeit. Berlin 2017. PDF

 

 

Bildnachweis: complize / photocase.de

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