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Bildungsmaterial

Die Welt am Abgrund – Ein Planspiel zu antisemitischen Verschwörungstheorien

Die Publikation „Die Welt am Abgrund“ der Amadeu Antonio Stiftung präsentiert ein Planspiel zu Funktion(en) und Attraktivität von Verschwörungstheorien für Schüler/innen ab 13 Jahren. VON JAN HARIG & CATERINA ZWILLING

Das Planspiel kann mit Gruppen von 14 bis 28 Teilnehmenden durchgeführt werden und hat eine Dauer von rund vier Zeitstunden. Neben klassischem Moderationsmaterial sowie Beamer und Laptop benötigt man zur Durchführung mehrere Arbeitsräume und Zugang zu internetfähigen Computern, wobei letztere wohl auch durch Mobiltelefone der Teilnehmenden ersetzt werden könnten. Im Anschluss an das Planspiel ist ein 1,5 stündiges Modul vorgesehen, das sich mit dem Zusammenhang von Antisemitismus und Verschwörungstheorien beschäftigt.

Das Setting des Planspiels entwirft ein Weltuntergangszenario. Im Jahr 2031 bilden sich zeitgleich an verschiedenen Orten der Welt mysteriöse Erdlöcher, die Tausende in den Tod reißen. Auch das Hauptquartier der UNO in New York stürzt in den Abgrund. Die Staats- und Regierungschefs/innen aller 193 UN-Mitgliedsstaaten gelten seitdem als vermisst. Als Reaktion auf den Katastrophenfall bilden Vertreter/innen der Nationalstaaten eine provisorische Weltregierung. Ein Sondergipfel, zu dem auch Vertreter/innen verschiedener außerstaatlicher Organisationen geladen sind, soll klären, wie es zu dem Phänomen kommen konnte, und geeignete Gegenmaßnahmen beschließen.

Der Großteil der Teilnehmenden übernimmt im Planspiel die Rolle von Repräsentanten/innen verschiedener Gruppen, die divergierende Erklärungen für die Katastrophe vertreten. Neben den Mitgliedern der Weltregierung, die als eine Art Moderation und Jury fungieren, treten Delegierte einer globalen Protestbewegung, eines weltweit agierenden Bauunternehmens sowie dreier (fiktiver) Staaten auf. Aufgabe der Gruppen ist es, eine in ihren Grundzügen vorgegebene (Verschwörungs-) Theorie zu den Ursachen der Erdlöcher auszugestalten und auf dem Sondergipfel möglichst überzeugend zu präsentieren. Die inhaltlichen Rahmenvorgaben sind an real existierende (Verschwörungs-) Theorien angelehnt. Mit empfohlenen Schlagwörtern sammeln die Gruppen im Internet weitere Informationen zu diesen Theorien und nutzen sie für die kreative Ausgestaltung ihrer Erklärungsansätze. Nach einer Präsentations- und Diskussionsphase einigt sich die Weltregierung auf eine Theorie und beschließt Maßnahmen zum Umgang mit der Katastrophe und mit etwaigen Schuldigen.

Das vorliegende Planspiel bietet einen spielerischen Einstieg in den Themenkomplex Verschwörungstheorien. Wie andere, bereits existierende Methoden rückt es das eigenständige Erdenken und Ausgestalten solcher Theorien in den Fokus. Diese Zugangsweise eignet sich hervorragend dazu, die Attraktivität von Verschwörungstheorien erfahrbar zu machen. Die Teilnehmenden erleben wie schnell sich vermeintliche Belege für die absurdesten Erklärungsansätze finden lassen, wie einfach man Zweifel an rationalen Argumenten säen kann und wieviel Spaß das Ganze macht. Das für die Methode entworfene Hintergrundsetting ist fesselnd und könnte einem Science-Fiction-Roman oder Computerspiel entstammen. Am Beispiel der im Planspiel beschlossenen Maßnahmen der Weltregierung kann zugleich herausgearbeitet werden, dass Verschwörungstheorien nicht einfach nur lustige Spinnereien sind, sondern ernsthafte Konsequenzen haben können.

Die starke Anbindung des Planspiels an real existierende Verschwörungstheorien macht die Virulenz und Verbreitung solcher Theorien begreifbar, sie birgt aber auch Gefahren. Schließlich kommen die Teilnehmenden durch die Internetrecherche nicht nur ganz allgemein mit antiaufklärerischen Weltdeutungen in Berührung, sie können – davor warnen die Autoren/innen der Broschüre zu Recht – auch auf dezidiert rechtsextremen oder antisemitischen Content stoßen. Was ist zu tun, wenn in den Gruppenpräsentationen (mit oder ohne erklärten Bezug auf Juden/Jüdinnen) Chiffren und Bilder aus dem Kanon des modernen Antisemitismus kolportiert werden? Wie kann man menschenverachtende Theoreme besprechbar machen, auf die Teilnehmende während ihrer Recherche gestoßen sind, die sie aber nicht von sich aus zur Sprache bringen. Die Autoren/innen empfehlen den Teamenden, die Internetrecherchen im Vorfeld selbst durchzuführen, um sich auf eine kritische Reflexion menschenfeindlicher Inhalte in der Auswertungsphase vorzubereiten. In jedem Fall bedarf es für die Durchführung des Planspiels Teamender, die antisemitische Chiffren erkennen und mit der Problematik Antisemitismus und Rechtsextremismus soweit vertraut sind, dass sie adäquat auf derartige Inhalte reagieren können.

Angesichts der möglichen Kontaktpunkte zu antisemitischer Hetze kommt dem abschließenden Modul über den Zusammenhang von Antisemitismus und Verschwörungstheorien besondere Bedeutung zu. Hier arbeiten die Teilnehmenden im Wesentlichen mit antisemitischen Karikaturen, die illustrieren, wie Juden/Jüdinnen Macht und verschwörerisches Tun unterstellt wird. Dabei werden unter anderem NS-Bilder, die Juden/Jüdinnen entmenschlichen und mit spezifischen rassistischen Merkmalen versehen, in Kleingruppen analysiert. Der Einsatz antisemitischer NS-Karikaturen im pädagogischen Kontext ist nicht unumstritten, schließlich werden durch solche Bilder Stereotype in einer besonders wirkmächtigen Form tradiert. Die Teamenden sollten daher in besonderem Maße darauf achten, dass eine ausreichende Dekonstruktion der antisemitischen Bilddarstellungen gewährleistet ist.

 

Amadeu Antonio Stiftung (Hg.):
Die Welt am Abgrund.
Ein Planspiel zu antisemitischen Verschwörungstheorien.
Berlin: Amadeu Antonio Stiftung 2018

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Jan Harig ist Mitbegründer und war bis 2019 Redakteur von „Anders Denken – Die Onlineplattform für Antisemitismuskritik und Bildungsarbeit“

Caterina Zwilling war bis 2019 Redakteurin von „Anders Denken – Die Onlineplattform für Antisemitismuskritik und Bildungsarbeit“

Bildnachweis: Leio McLaren / unsplash.com

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